römisches Kunstgewerbe: Prunkgefäße und Geschirre

römisches Kunstgewerbe: Prunkgefäße und Geschirre
römisches Kunstgewerbe: Prunkgefäße und Geschirre
 
Den römischen Prunkgefäßen galt schon in der Antike genauso viel Aufmerksamkeit und Bewunderung wie in späteren Jahrhunderten. Manche dieser Stücke waren von vornherein nicht zum Gebrauch bestimmt, die meisten aber dienten als Tafelgerät für wohlhabende Personen und wurden - so die Schriftquellen - bei Gastmählern gern zur Schau gestellt. Wie die Zusammenstellung einiger geschlossener Schatzfunde (zum Beispiel aus Boscoreale nahe Neapel oder aus der Casa del Menandro in Pompeji) zeigt, waren deren römische Besitzer reiche Kunstliebhaber, die ihr Prunksilber als Sammler oder aus dem Familienerbe zusammengetragen hatten: Denn in diesen Kollektionen sind sowohl Luxusstücke aus dem frühen 2. Jahrhundert v. Chr., die im Kunsthandel oder als Beutestücke erworben worden sein müssen, als auch Gegenstände aus dem 1. Jahrhundert n. Chr. enthalten.
 
Das Silberhandwerk besaß besonders im griechischen Kleinasien eine lange Tradition und erlebte dort durch die Auftragsarbeiten für hellenistische Fürstenhöfe eine Blütezeit. Als die Römer nach den Punischen Kriegen, vom frühen 2. Jahrhundert v. Chr. an, hellenistische Kulturgüter aus allen Kunstgattungen aufnahmen, kamen auch viele griechische Künstler und Kunsthandwerker - oft als Sklaven - nach Italien. Deshalb wurden die meisten römischen Prunkgefäße von griechischen Silberschmieden nach hellenistischen Modellen gearbeitet. Plinius der Ältere nennt mehrere Namen von Künstlern, deren Arbeiten begehrt und sehr kostspielig waren, und beklagt zugleich den verwerflichen Luxus, Silbergerät zu gebrauchen.
 
Ein Höhepunkt in der Herstellung römischer Silbergefäße lässt sich in der frühen Kaiserzeit erkennen. In den Funden etwa von Boscoreale und Hildesheim sind Silberbecher erhalten, deren meisterhafte Reliefverzierungen mythologische und historische Szenen mit der Verherrlichung des Augustus zeigen. Vermutlich sind es Kopien von großformatigen »Staatsdarstellungen« mit politischer Propaganda. Durch den Besitz solcher Trinkgefäße bestätigten die Wohlhabenden sich und ihren Gästen, dass sie zur führenden gesellschaftlichen Schicht »dazugehörten«. Andere Prunkgefäße stammen aus Tempelschätzen (zum Beispiel der Fund von Berthouville), manche waren als Diplomatengeschenke (Becher aus dem Schatz von Hoby) angefertigt worden. Durch den Historiker Tacitus weiß man, dass solche Diplomatengeschenke an germanische Fürsten gegeben wurden.
 
Auch Glasgefäße wurden besonders in augusteischer Zeit als einzigartige Prunkgefäße hergestellt, etwa die reliefierte »Blaue Vase« in Neapel oder die »Portlandvase« in London. Als antike Zentren der Glasherstellung sind zum Beispiel Aquileja und Pozzuoli bekannt, wo es besonders feinen Sand für die Glasschmelze gab und sich deshalb Serienproduktionen aller erdenklichen Formen und Farben entwickeln konnten.
 
Dem täglichen Bedarf dienten allgemein Tafelgeschirre aus Ton, die in verschiedenen Zentren für den heimischen Bedarf wie für den Export hergestellt wurden: seit dem Beginn des 2. Jahrhunderts v. Chr. vor allem die schwarz glasierte »Campanaware« (Parete nera) und die nicht überzogene »dünnwandige Keramik« (Pareti sottili), deren Wände oft eierschalendünn waren. Um 30 v. Chr. setzte ein Wandel ein, als in Arezzo eine neue Produktionsweise, die serielle Herstellung von Terra sigillata - feinwandigem Tongeschirr mit glänzend hochrotem Schlickerüberzug - aufkam. Auch wenn in dieser Technik meisterhafte und wertvolle, weil gewöhnlich reich mit aus Ton aufgesetzten oder mit in Formschüsseln gepressten Motiven verzierte Stücke entworfen wurden, galt die Terra sigillata - wie Schriftquellen belegen - nie als Luxusgeschirr. Zur Herstellung der Formschüssel wurde ein gewöhnliches Gefäß gedreht. In den noch weichen Ton seiner Innenseite wurden daraufhin mit Stempeln Ornamente oder Figurenbilder eingedrückt. Nach dem Brennen konnten aus diesen nun harten Formen Gefäße in großer Zahl produziert werden, indem in sie Ton gegeben und dieser durch Drehen auf der Töpferscheibe in die Form gepresst wurde. Durch die starke Schrumpfung des Tons beim Trocknen war das Gefäß dann leicht herauszulösen, der Dekor erschien nun als Relief. Auf die Gefäße wurden Herstellernamen gestempelt, die es ermöglichen, die Verbreitungsweise der Ware zu erforschen: Der Export ging in zahlreiche Städte Italiens und in die Provinzen. Wie man durch neuere Untersuchungen weiß, betrieben die Werkstätten von Arezzo, um die Transportkosten zu vermeiden, auch Zweigniederlassungen sowohl in Italien (Pisa) als auch in den Provinzen (Lyon), in welche sogar Arbeiter aus den arretinischen Hauptwerkstätten geschickt wurden. Später entstanden in den Provinzen auch eigenständige Industrien mit charakteristischen Merkmalen, die eine sehr präzise zeitliche Einordnung ermöglichen und die Terra sigillata daher zu einer wichtigen Datierungshilfe bei Grabungen machen.
 
Dr. Dorothea Michel
 
 
Bianchi Bandinelli, Ranuccio: Rom, das Ende der Antike. Die römische Kunst in der Zeit von Septimius Severus bis Theodosius I. Aus dem Italienischen übersetzt von A. Seling u. a. München 1971.
 
Römische Kunst, herausgegeben von Bernard Andreae. Freiburg im Breisgau u. a. 41982.

Universal-Lexikon. 2012.

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